Happy New Year

von Starkat




Teil 2


Noch immer leicht benebelt zog Jim den Bademantel aus, stieg in die Dusche und drehte das Wasser an. - Mhmm! Tat das gut!

Langsam kamen einige Bruchstücke seiner Erinnerung an den gestrigen Abend wieder, leider nicht sehr viele. Er wusste nur noch, dass er mit Blair die diesjährige Silvester-Feier vorbereitet hatte, zu der sie Captain Simon Banks, die Detectives Henri Brown, Brian Rafe und Inspector Megan Connor eingeladen hatten. Daryl - Simons Sohn - hatte kurzfristig abgesagt, weil er sich mit ein paar Leuten verabredet hatte, mit denen er zusammen die Polizeiakademie besuchte…

Die erste, die an der Tür von Nr. 307 geklopft hatte, war Megan gewesen. Mit einer riesigen Schüssel selbst gemachtem Nudelsalat stand sie im Eingang und erklärte den beiden Gastgebern, dass Rafe noch einen Parkplatz suchen würde. Er hatte sie abholen müssen, weil ihr Wagen gestreikt hatte.

Der Nächste, der nach Brian die Wohnung betrat, war Simon gewesen. Mit einer großen Auswahl an Video-Filmen in einer alten JAGS-Sporttasche. Für die Unterhaltung war also bestens gesorgt.

Für die Getränke war an diesem Abend Henri Brown zuständig gewesen. Er hatte sehr geheimnisvoll getan und seinen Freunden und Kollegen versprochen, dass sie diesen Abend nie vergessen würden. Henri wollte ihnen nämlich eine Bowle servieren, die auf seinen Familienfesten immer der Renner gewesen sei.

- Und vermutlich war ausgerechnet dieses "Gebräu" auch verantwortlich für den riesigen Brummschädel und den Filmriss, den Ellison jetzt hatte. Jim konnte sich nur noch erinnern, dass die Bowle tatsächlich sehr gut geschmeckt hatte. Doch nach den ersten paar Gläsern war da ein großes Nichts in seinem Gedächtnis. - Himmel, er wusste ja nicht einmal mehr, wie er überhaupt in sein Bett gekommen war!

// Wahrscheinlich hat Sandburg mich die Treppe rauf und ins Bett schleppen müssen. Der arme Kerl. Hoffentlich hat er nachher wenn er aufwacht nicht auch solche Kopfschmerzen wie ich. So einen Kater wünsche ich nicht mal meinem ärgsten Feind! //, dachte Ellison mitleidig an seinen Partner und spülte sich Shampoo und Duschgel vom Körper. Dabei fielen ihm ein paar kleine blaue Flecken auf. Einer war an der Innenseite seines linken Handgelenks und der andere war auf der gleichen Seite an seiner Hüfte, etwa drei Zentimeter neben dem Bauchnabel.

// Komisch. Muss mich irgendwo gestoßen haben, ohne es zu merken. //, wunderte sich Jim etwas, aber dachte dann nicht weiter über die kleinen Blutergüsse nach.




Etwa eine halbe Stunde später kam ein frisch geduschter und glatt rasierter Detective Ellison mit einem großen Handtuch um seine Hüpfe gebunden aus dem Badezimmer. - Zwar war sein Gedächtnis immer noch recht lückenhaft, aber er fühlte sich schon um einiges besser. - Jetzt brauchte er erstmal einen starken Kaffee. Am besten so schwarz wie die Nacht.

Zielstrebig steuerte Jim die Küche an und füllte die Kaffeemaschine mit Wasser und Pulver auf. Nachdem er sie eingeschaltet hatte, lehnte er sich mit dem Rücken gegen den Holzpfeiler neben dem Herd und verschränkte die Arme vor seiner Brust. Müde schloss er seine Augen und atmete tief den Duft des frisch gebrühten Kaffees ein, der durch den Filter tropfte und die Glaskanne füllte.

Langsam pendelten sich Jims Sinne wieder auf ein erträgliches Level ein. Die Tabletten fingen an zu wirken und er zuckte nicht gleich wieder vor Schmerz zusammen, wenn drei Blocks weiter ein Auto hupte oder im Haus gegenüber eine Tür etwas fester zugeschlagen wurde. - Doch plötzlich ….

"Grrrrr!....." Ein sehr lautes Schnarchen holte Ellison wieder in die harte Realität zurück.

// Wer zur Hölle … !? //, dachte Jim erschrocken, stieß sich vom Pfeiler ab, drehte sich um und starrte in die Richtung, aus der das schreckliche Geräusch kam.

Und da sah er ihn: Captain Banks. - Anscheinend hatte er es doch nicht mehr heim geschafft und die Nacht mehr schlecht als recht vor dem Kamin in Blairs altem Ohrensessel verbracht, der noch aus der Zeit stammte, als Sandburg in einer Lagerhalle gehaust hatte. Banks lag da wie eine achtlos in die Ecke geworfene Marionette, deren Fäden man durchgeschnitten hatte. Seine Arme hingen auf beiden Seiten über die Armlehne und sein Körper war tief in den Sessel versunken. Die Brille hing nur noch mit einem Bügel an seinem linken Ohr und drohte jede Sekunde herunter zu fallen. Sein Kopf war nach rechts geneigt, wobei seine Stirn die Seitenlehne des Sessels berührte. Die Krawatte hing offen an seinem Hals und das Hemd war teilweise aufgeknöpft.

// Okay. Dann haben wir also einen Gast beim Frühstück. // Mit einem tiefen Seufzer fuhr Jim sich mit beiden Händen durch die noch feuchten Haare und ging dann zu seinem schlafenden Boss, um ihn zu wecken. // Warum hatte Simon denn nicht auf dem Sofa geschlafen, wo er es bestimmt bequemer gehabt hätte? //, fragte sich Jim stirnrunzelnd.

Doch auf halbem Weg hörte Ellison aus Richtung Couch ein zweites, leiseres Schnarchen, das seine Frage beantwortete. Jim stützte sich mit den Händen auf die Rückenlehne und beugte sich vorsichtig darüber und nach vorne, um zu sehen, wer da noch bei ihnen übernachtet hatte.

// Das darf doch nicht wahr sein! Henri?! // Jim wurde es etwas schwindelig. Er richtete sich wieder auf und rieb sich mit der rechten Hand die müden Augen. Langsam kamen ihm Zweifel, ob eine Kanne Kaffee wirklich ausreichen würde.

Henri lag bäuchlings auf dem Dreisitzer. Seine linke Hand war unter seinem Kopf, der dem Tisch zugewandt war, auf dem sein linker Schuh stand. Der andere lag vor dem Kamin auf dem Boden. Browns rechter Arm und sein rechtes Bein baumelten über dem Rand der Couch.

// Na, wenigstens hat Henri heute auch nix zu lachen, wenn er wieder wach wird. //, grinste Jim mit Genugtuung. Sollte Brown ruhig auch etwas leiden.

*RUMMS*

Etwas oder jemand war gerade in Blairs Zimmer umgefallen.

"Autsch! Mensch, pass doch auf! Du weckst sonst noch Jim!" // Megan!? //

"Kann ich was dafür, dass unser Möchtegern-Professor hier seine ganzen Sachen auf dem Boden verteilt hat!? - Und jetzt geh endlich runter von mir, Connor!" // Brian!? //

"Oh uh! Letzte Nacht hat es dich aber überhaupt nicht gestört, dass ich …", schnurrte Megan leise und das Geräusch eines Reißverschlusses war zu hören.

"Meg… nicht! … aah! ... bitte … Du kannst doch nicht wirklich … hhh! …", stöhnte Rafe und kapitulierte schließlich.

// Oh. Mein. Gott!!! // Jim stand da, ungläubig und mit offenem Mund. Das konnte doch alles nicht wahr sein. - Simon und Henri als Übernachtungsgäste auf der Couch und im Sessel waren ja noch verständlich. Aber Connor und Rafe in voller Aktion in Blairs Zimmer anhören zu müssen … - Nein, das ging nun wirklich zu weit!

Plötzlich überkam ihn ein ungutes Gefühl. - Wenn Megan und Brian in Sandburgs Kammer waren, wo hatte dann Blair geschlafen?

Ellison fuhr seine Sinne hoch und konzentrierte sich auf seinen Partner. Schließlich fand er ihn auch. Langsam und zögernd ging Jim zur Treppe und schlich nach oben. Am Ende seines Bettes angekommen hob er vorsichtig die dicke Decke hoch und schlug sie zurück. Darunter lag ein schlafender Blair Sandburg mit zerzauster wilder Mähne.

Mit einem erleichterten Seufzer kniete sich Jim neben das Bett und strich seinem Partner die Haare aus dem Gesicht. Es war ja schließlich nicht das erste Mal, dass sie beide im gleichen Bett geschlafen hatten. - Doch als Jim den blauen Fleck an Blairs Hals sah, zuckte seine Hand schlagartig zurück. Und eine Flut von zu erst zusammenhangslosen Bildern und Gefühlen stürzte plötzlich auf ihn ein:

*die Party… die Unterhaltungen mit den Kollegen … die Bowle… der Alkohol, der langsam in jede Zelle seines Körpers kriecht…*

Jim wurde es ganz heiß und er fing an zu schwitzen. Erst jetzt sah er, dass nicht nur alle seine, sondern auch Blairs Klamotten überall verstreut um ihn herum lagen.

*Übelkeit… Schwindelgefühl… Arme, die ihn auffangen, stützen… Hände, die sein Hemd und seine Hose öffnen, ihn ausziehen… das weiche Bett… ein warmer Körper, der sich zärtlich an ihn schmiegt… Hände, die sanft über seine Haut streicheln…Lippen, die seinen Mund berühren… Zähne, die leicht an seinem Handgelenk knappern…*

// Die blauen Flecken! // Jim lief ein Schauer über den Rücken, als er sich die Blutergüsse an Handgelenk und Hüfte nochmals ansah. - Er hatte sich also gar nicht gestoßen. Das waren …

// Liebesbisse!?... Oh Gott!!!... Blair… und ich!?... neinneinnein … das kann nicht… das darf nicht sein! //

Kopfschüttelnd sprang Jim auf und wich zwei Schritte zurück. - Was war noch alles in der letzten Nacht passiert? Wie hatte er es nur so weit kommen lassen können? An was würde sich Sandburg überhaupt noch erinnern?

Jim kniete sich wieder neben das Bett und betrachtete Blairs Gesicht. // Mein Engel… //, kam es dem Sentinel sofort in den Sinn und seine Augen füllten sich mit Tränen.

Ja. Es stimmte. Blair war mehr als nur sein Freund und Kollege. Für Jim war er all das, wofür es sich zu leben lohnte. - Verständnis, Geborgenheit, Liebe - Und er wollte Blair auf keinen Fall wegen einer Nacht im Vollrausch verlieren. Wie sollte es jetzt nur weiter gehen?

Ein erneuter Schnarcher von Banks holte Ellison wieder aus seinen Gedanken in die Gegenwart zurück. Jim wischte sich mit den Handrücken über die Augen, stand auf und nahm leise frische Shorts und Socken aus der Schublade seiner Kommode. Danach waren ein weißes T-Shirt und seine verwaschene Lieblingsjeans aus dem Schrank dran.




Ein paar Minuten später kam Jim wieder die Treppe runter. In Blairs Kammer war es mittlerweile sehr ruhig geworden. Der unverkennbare Geruch von Sex hing in der Luft und verfehlte nicht seine Wirkung auf den Sentinel. Jim spürte, wie sein Körper reagierte und seine Gedanken anfingen, sich nur noch um Blair und die letzte Nacht zu drehen. Nur mit großer Mühe schaffte er es, seine Sinne so weit zurück zufahren, dass er nicht in ein Zone-out verfiel.

Vor der Tür der Kammer zögerte Ellison erst etwas, klopfte dann aber doch leise an. "Wenn ihr zwei da drin fertig seit… Es gibt Kaffee… Und zieht euch was an… Brown und Banks sind auch noch da…", sagte er leise und in ruhigem Ton.

"Oh, shit!", fluchte Rafe leise hinter der verschlossenen Tür.

"Kannst du laut sagen…", stimmte ihm Megan zu und suchte ihre Klamotten zusammen.




Kurze Zeit später befand sich fast die ganze Truppe am Esstisch. Jim stelle jedem eine große Tasse hin, schenkte den Kaffee ein und verteilte Schmerztabletten. Mit hochroten Köpfen und ziemlich zerzaust saßen Connor und Rafe einem sich im Halbschlaf befindlichen Henri Brown gegenüber. Neben ihm hatte ihr zerknirschter und schwer verkaterter Captain Platz genommen. In seinem Gesicht konnte man förmlich die Worte *Ich will es erst gar nicht wissen* lesen.

Megans Rock war auf einer Seite bis zum Bund hoch aufgerissen. Jim hatte ihr ein paar Sicherheitsnadeln aus dem Nähkorb gegeben, um ihn einigermaßen zusammen zu halten. Und an Brians Hemd war die Brusttasche halb abgerissen und es fehlten mehrere Knöpfe. Simon trank schweigend seinen Kaffee aus und ging dann zum Telefon, um ein Taxi zu bestellen.

Und Henri, der eigentliche Verursacher dieser Katastrophe? - Der hatte seinen Kampf damit, einigermaßen wach zu bleiben und schien überhaupt nicht mitzubekommen, was um ihn herum alles passiert war. Aber das sollte er noch früh genug erfahren, wenn er am nächsten Tag ins Büro kommen würde.

"Das Taxi kommt gleich." Mit diesen Worten kam Simon zum Tisch zurück und band seine Krawatte wieder zu. "Hat jeder von euch seine Sachen?"

Ein stilles Nicken kam von Rafe und Connor, die es nicht wagten, ihrem Boss in die Augen zu sehen.

"Gut. - Jim? Ich könnte hier etwas Hilfe gebrauchen…", wandte sich Banks an seinen Detective, als er versuchte, Brown vom Stuhl hoch zu hieven.




Mit vereinten Kräften schafften es Ellison und Banks schließlich, Henri auf der Rückbank des Taxis zu verstauen.

"So, das hätten wir. Endlich.", seufzte Banks und rieb sich die schmerzenden Schläfen.

"Ja.", stimmte Ellison zu.

Wir sehen uns dann Morgen…", verabschiedete sich Rafe schnell, packte Connor am linken Ellbogen und wollte mit ihr zu seinem Wagen gehen.

"Nicht so eilig, ihr beiden! Ihr glaubt doch nicht im Ernst, dass ich Euch mit dem Alkoholspiegel noch fahren lasse, oder? - Ihr steigt schön brave zu uns ins Taxi, verstanden?", befahl ihnen der Captain.

"Ja, Sir!", erwiderten die beiden Cops leise seufzend und kamen wieder zurück. Megan setzte sich rechts und Brian links neben Brown. So liefen sie wenigstens nicht Gefahr, wieder übereinander herzufallen.

Jim war wirklich froh darüber gewesen, dass Megan und Brian Simon bis jetzt so weit abgelenkt hatten und Banks ihn nicht nach Blair gefragt hatte. - Wie gesagt: Bis jetzt …

"Wo steckt eigentlich Sandburg? Hab ihn heute Morgen ja noch gar nicht gesehen.", wollte der Captain wissen.

// Oh, Gott!... Ich wusste doch, dass das noch kommen musste! // Mit einem leisen Stöhnen fuhr sich Jim mit beiden Händen durch die Haare.

Simon sah ihn verwundert und mit fragendem Blick an. Es half nichts. Jim blieb nichts anderes übrig, als ihm die Wahrheit zu sagen.

"Er… schläft noch, Simon…", kam die zögerliche Antwort.

"Und wo?"

"In… in meinem Bett…", erwiderte Ellison nervös, sah verlegen auf den Boden und rieb sich dabei mit der rechten Hand das Genick. Er konnte regelrecht fühlen, wie ihm das Blut in den Kopf stieg.

"Oh… Und Sie haben die Nacht auf dem Zweisitzer verbringen müssen?..."

// Ich danke dir, oh Herr! // Jim war gerettet und nickte eifrig.

"Pfff! Wer's glaubt wird selig!", kam es kaum hörbar von Megan.

Jim sah sie mit großen Augen und hochgezogenen Augenbrauen an.

"Tja, mein Lieber. Ich war nicht so besoffen, wie du vielleicht glaubst. Ich hab euch zwei gehört, Jimbo!", kicherte Megan leise hinter der vorgehaltenen Hand und zwinkerte ihm zu.

Panik stieg in Ellison auf und kalter Schweiß lief über seinen Rücken. Sämtliche Farbe verschwand aus seinem Gesicht und er musste sich an Simons Schultern fest halten, um nicht umzukippen.

"Jim! Was ist mit Ihnen? Geht es Ihnen nicht gut?" Banks stützte ihn, bis er wieder sein Gleichgewicht gefunden hatte.

"Es geht schon wieder, Sir. Danke… Wird wohl der Kreislauf sein…", versuchte Ellison den Captain zu beruhigen.

"Sie legen sich am Besten gleich wieder hin. Bevor Sie sich noch irgendwie verletzen, haben Sie mich verstanden?"

"Ja, Sir…", versicherte ihm der Detective.

"Sorry, Jimmy. Wollte dich nicht erschrecken. Ich muss mit dir reden. Ruf mich nachher zu Hause an, okay?", entschuldigte sich Megan flüsternd bei ihm.

// Worauf du dich verlassen kannst, Connor! // Megan zuckte erschrocken zusammen, als sie den finsteren Blick sah, den ihr Ellison zu warf.

Simon stieg auf der Beifahrerseite ein und schloss die Tür. Jim sah dem Wagen noch nach, bis er am Ende der Straße abbog.


(Fortsetzung folgt...)


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